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„Drug Repurposing“ als Strategie gegen das Coronavirus

Das sogenannte "Drug Repurposing" stellt eine vielversprechende Methode im Kampf gegen das Coronavirus dar.

Nicht nur in der Impfstoffentwicklung gibt es globale Anstrengungen. Auch herkömmliche Medikamente gegen SARS-CoV-2 Infektionen befinden sich weltweit in Arbeit. Dabei werden nicht nur neue Wirkstoffe gesucht, sondern es wird auch erprobt, ob bereits vorhandene Medikamente gegen das Virus wirksam sein könnten.

Das von der WHO organisierte „Solidarity Therapeutics Trial“ ist die bis jetzt weltweit größte Studie, die sich mit dem Umfunktionieren von bereits vorhandenen Arzneistoffen für die Covid-19 Behandlung auseinandersetzt. In ungefähr sechs Monaten wurde dabei der Effekt einer Reihe von Medikamenten auf Covid-Erkrankte getestet. Diese Studie zeigt, dass Präparate wie Remdesivir, Hydroxychloroquin, das Kombinationspräparat Lopinavir/Ritonavir und Interferone, die zuvor als vielversprechend galten, wenig bis gar keine Wirkung erzielen.

Im Fokus der Umfunktionierung stehen vor allem drei große Arzneistoffklassen:

  1. Antivirale Medikamente d.h. Virustatika
  2. Immunmodulatoren
  3. Arzneimittel gegen Lungen- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. 


Wichtig hierbei ist nicht nur die Wirksamkeit, sondern auch in welchem Krankheitsstadium diese Medikamente gegeben werden, denn nicht alle sind in jeder Phase der Erkrankung wirksam.

Virustatika

Virustatika sind Medikamente die, zumindest in der Regel, keine Wirkung auf den Menschen haben, sondern lediglich auf die Replikation des Virus. Fast alle Virustatika haben Ähnlichkeiten zu den sogenannten Nukleotiden, den Bausteinen der DNA. Durch diese strukturellen Ähnlichkeiten werden diese Arzneistoffe an Stelle der Nukleotide in die virale DNA eingebaut, wodurch der DNA Strang abbricht und sich das Virus nicht weiter vermehren kann. Antivirale Medikamente, die vielversprechend sind, sind beispielsweise das Grippemittel Favipiravir oder der Antikörper Leronlimab. Diese haben in ersten Studien eine Besserung der Beschwerden bewirkt. Noch in Entwicklung befindliche Stoffe sind zum Beispiel der Kinaseinhibitor ATR-002, welcher im Labortest die Virusvermehrung gehemmt hat, oder das gegen SARS-1 entwickelte APN01, welches das Eindringen des Virus in die Lungenzellen unterbindet.

Immunmodulatoren

Bei den Immunmodulatoren gibt es eine ganze Reihe von möglichen Kandidaten. Diese sollen eine überschießende Reaktion des Immunsystems verhindern, ohne diese gänzlich zu unterdrücken. Das Glucocorticoid Dexamethason hat gezeigt, dass der Einsatz von Immunmodulatoren die Sterblichkeit verringern kann. Viele in Frage kommende Immunmodulatoren sind sogenannte monoklonale Antikörper. Diese greifen auf molekularer Ebene in Vorgänge des Immunsystems ein und können die Erkrankung so abdämpfen. Davon befinden sich rund 20 Stoffe in der engeren Auswahl, die momentan noch in ihrer Wirksamkeit erprobt werden.

Medikamente zur Behandlung von Lungen- und Herzerkrankungen

Arzneistoffe, die zur Behandlung von Lungenerkrankungen eingesetzt werden sollen in erster Linie dabei helfen die entstandenen Schäden an der Lunge zu bekämpfen. Der Wirkstoff Solnatide beispielsweise wird eingesetzt, um beschädigte Membranen in der Lunge wiederherzustellen. Der Stoff BXT-25 soll die Sauerstoffaufnahme der Lunge verbessern und der Peptid-Wirkstoff FX06 soll bei geschädigten Gefäßen des Lungengewebes zum Einsatz kommen. Die Wirksamkeit der genannten Stoffe wird noch getestet. 

Da Covid-19 erwiesenermaßen die Gerinnungsgefahr des Blutes erhöht werden mittlerweile Arzneistoffe eingesetzt, die Thrombosen und Embolien vorbeugen. Meist kommt hier das Heparin-Analogon Enoxaparin zum Einsatz. Zusätzlich werden momentan die beiden nicht mit Heparin verwandten Blutverdünner Edoxaban und Rivaroxaban. Weitere eingesetzte Medikamente sind beispielsweise Blutdrucksenker, die sich positiv auf Folgeschäden von Covid-19 auswirken können. Es gibt auch Hinweise darauf, dass die gleichzeitige Einnahme von ACE-Hemmern positive Auswirkung auf den Verlauf der Erkrankung haben kann.

Arnzeistoffe anderer Art

Es stehen auch einige Arzneistoffe in der Diskussion, die zuvor gänzlich andere Anwendungsgebiete hatten. Der Stoff Niclosamid beispielsweise, der eigentlich ein Antibandwurmmittel ist, soll den Zellen bei ihrer Schadstoffbeseitigung helfen. Diese Funktion ist bei Zellen, die mit dem Virus befallen sind, oftmals deaktiviert. Die Stoffe Camostat Mesilat und Brilacidin eignen sich womöglich aufgrund ihrer entzündungshemmenden Eigenschaften und auch Medikamente zur Krebstherapie wie Asunercept und Plitidepsin werden für einen Einsatz in Erwägung gezogen.

Alle genannten Arzneistoffe sind lediglich einige wenige Beispiele. Es gibt viele Arzneistoffe, die im Kampf gegen das SARS-CoV-2 hilfreich sein könnten. In Kombination mit neu entwickelten Arzneistoffen und der erhofften Impfung stehen die Chancen für eine neue wirksame Standardtherapie also gut.